Knigge, Adolph Freiherr von (1752-1796)


In seinem Aufsatz "Briefe über die neuere Erziehungsart" (Jahrbuch für die Menschheit, Bd. 2, 3. Stück, Hannover 1788) erwähnt Knigge im ersten Brief auch den Cellarius und den Orbis pictus:

Hat es aber an gelehrten, gesunden, edlen, klugen Männern bis itzt gefehlt? Sind keine Fortschritte, keine Entdeckungen in den Wissenschaften gemacht worden, bevor die Herrn Reformatoren vom Himmel kamen? Ist wahre Aufklärung, Duldung und vernünftige Freyheit bis itzt vom Erdboden verbannt gewesen? Sind wir Alle Pedanten und Pinsel geworden, wir, die wir einst beym Cellarius und Orbis pictus geohrfeigt wurden und bey Baumgartens Logic seufzten und jähnten? Sind wir Alle kränkliche, schwächliche Geschöpfe, sclavische Menschen? - Sollte man nicht meynen, bis auf diese Tage der Erleuchtung wäre jedes gute Genie erstickt, jeder grade Kopf verschroben worden? - Woher seyd denn Ihr, die Ihr über die alte Erziehungs-Methode schimpfet, woher seyd denn Ihr so klug? Schmähet doch nicht ein System, dem Ihr, wie so mancher andrer Biedermann, so viel zu danken habt!


Und in der "Fortsetzung der Briefe über die neuern Erziehungs-Methoden" (Jahrbuch für die Menschheit, Bd. 2, 4. Stück, Hannover 1788) heißt es im zweiten Brief:

In den Kinderjahren hingegen, in welchen mehrenteils so viel Zeit mit unnützen Spielwerken verlohren geht, und verlohren gehn muß, weil die Natur den Werkzeugen noch nicht die gehörige Festigkeit gegeben hat, grössere Anstrengung zu ertragen; da wird ein Theil dieser Zeit sehr nützlich und mit solchen mechanischen Uebungen ausgefüllt und, was der Hauptpunct ist, da kann man noch dazu gezwungen werden. Nachher überwindet der Eckel. Die Kinder lernen sich beschäftigen, werden von abgeschmackten Spielereyen abgeleitet, das Gedächtniß wird geschärft, und was dasselbe in dieser Periode faßt, das bleibt unauslöschlich darinn. Diese Uebungen aber, z.B. das Auswendiglernen von Vocabeln, von gramatticaltischen [sic!] [S. 354] Regeln, von historischen Thatsachen und Jahrszahlen, von Rechnungsformeln und dergleichen, hindern den Cörper gar nicht im Wachsthume, und indem man dem Verstande Zeit läßt, sich zu bilden, übt man das Gedächtniß und pfropft es voll von nützlichen Materialien, woraus der Verstand nachher arbeiten kann, und sich, wenn er zur Reife kömmt, sehr freuet, seine Werkstatt so gut ausgerüstet zu finden, und sollte man auch sogar Dinge memorirt haben, womit man damals, als man sie lernte, nicht den geringsten Begriff verband, und wovon man den Nutzen erst spät nachher einsieht. Ehemals lernte man Jahre lang den goldenen Cellarius von Abdomen, der Schmerbauch an, bis Zotheca, ein Hünerstall, und Langens Gramattic von den octo partibus orationis an bis zur Syntaxis ornata auswendig, und kam man nun an Lesung der Schriftsteller; so war uns Alles hell und deutlich, und man fing endlich auch an zu fühlen, was man las; so öffneten sich verborgene Schätze, man entdeckte Schönheiten in Wortfügungen und Diction, die vor den Augen Desjenigen verborgen bleiben, der die Sprachen nur parlieren lernt.

Die beiden Zitate hat mir freundlicherweise Herr Dr. Manfred Krätz mitgeteilt.


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